Die Chronik: Der Niedergang von "Neun Live":


November 2001: staatsfunk.de startet die Aktion "Al Jazeera statt Neun Live!" Mit Unterschriftslisten, Protestbriefen und einer Aufkleberaktion fordern zahlreiche kritische Fernsehnutzer von den Landesmedienanstalten, den Sender "Neun Live" aus dem Programm zu nehmen.


Dezember 2001: Trotz der minimalen Produktionskosten des niveaulosen Billig-Programms legt "Neun Live" zum Ende des Jahres eine niederschmetternde Jahresbilanz vor. Der Sender verbucht für das Jahr 2001 einen stattlichen Verlust von etwa 30 Millionen Euro.


Januar 2002: Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf soll "Neun Live" wegen seines "zu geringen Beitrags zur Programmvielfalt" in Nordrhein-Westfalen aus dem Kabelnetz verschwinden. Auch in Niedersachsen ist ein entsprechender Rechtsstreit anhängig. Das ZDF schließt einen Kooperationsvertrag mit dem arabischen Sender "Al Jazeera".


Februar 2002: Die Medien-Gesellschaft von Leo Kirch steht mit mehr als sechs Milliarden Euro Schulden kurz vor der Pleite. Auch die ProSiebenSat.1Media AG, an der Kirch einen Großteil der Anteile hält, steht vor einer unsicheren Zukunft. Die Aktiengesellschaft ist wiederum mit 48,6 Prozent an "Neun Live" beteiligt.


März 2002: Nach einer repräsentativen Internet-Umfrage von staatsfunk.de wollen 94 Prozent der deutschen Fernseh-Nutzer, dass der Sender "Neun Live" endlich vom Netz genommen wird. Zu einem ähnlich drastischen Ergebnis kommt auch eine Umfrage im Auftrag der Fernsehzeitschrift "TV 24". Die Einschaltquoten von "Neun Live" sind nach den öffentlichen Protesten von staatsfunk.de weiter im Keller und liegen mit 0,3 Prozent nur knapp über der Nachweisgrenze.


April 2002: Leo-Kirchs Medien-Imperium meldet Insolvenz an.


Mai 2002: Ungeachtet aller Proteste gegen die Programminhalte von "Neun Live" kündigt Geschäftsführerin Christiane zu Salm an, an dem Konzept festzuhalten. Der Sender werde mit diesem Programm schnell erstmals Gewinne erwirtschaften.


September 2002: Arbeitsminister Walter Riester bezeichnet eine von "Neun Live" geplante Arbeitslosen-Show als "unmoralisch". Nach den Plänen von "Neun Live" sollen in der Sendung mehrere Arbeitslose gegeneinander antreten. Per Telefonabstimmung sollen die Fernsehzuschauer dann entscheiden, welcher Teilnehmer einen Arbeitsplatz erhält. Neben dem Arbeitsminister äußern sich auch Gewerkschaften und Kirchen entsetzt über das geplante Format.


Januar 2003: "Neun Live" ist im Rennen um den Preis der "beleidigten Fernsehzuschauer". In der Begründung für die Nominierung heißt es: "Ein solch anspruchloses Abzocker-Programm hat es in Deutschland noch nie gegeben." Anders wie bei dem Preis des medienkritischen Portals www.telekwatsch.de üblich, ist mit "Neun Live" erstmals nicht eine Einzelperson oder eine Redaktion sondern ein ganzes Programm "angefangen bei den dummdreisten Quizshows bis hin zu den Pornonächten" nominiert.


Februar 2003: Mehrere Kabelnetzbetreiber und die rheinland-pfälzische Landesmedienanstalt werden aktiv und wollen "Neun Live" vom Netz nehmen. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtes Neustadt darf "Neun Live" allerdings vorerst weiter im rheinland-pfälzischen Kabelnetz senden. Das Urteil berücksichtigt ausschließlich wirtschaftliche Aspekte. Der Inhalt von "Deutschlands dümmsten Sender" (die tageszeitung) spielte bei der Entscheidung keine Rolle.


März 2003: Die Landesmedienanstalten ermitteln gegen "Neun Live". Der Vorwurf: Verstöße gegen das Pornografieverbot, das Werbeverbot für Prostitution und das Werbeverbot für Pornografie. Nach Auffassung des Vorsitzenden der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten Norbert Schneider kann "Neun Live" sein Programm "nur mit Mitteln bestreiten, die gesellschaftlich nicht wünschenswert sind." Auch einen Lizenzentzug schließt er nicht aus.


April 2003: Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen "Neun Live" wegen Betrugsverdachts. Demnach konnte der Sender seine Gewinne nur einfahren, indem er seinen Zuschauern Anrufe berechnete, die überhaupt nicht zustande kamen. Während die Anrufer von Gewinnspielen das Besetztzeichen hörten soll bei "Neun Live" die Kasse geklingelt haben. Nicht von der Telekom sei das Besetzteichen ausgegangen sondern von "Neun Live" selbst, die so angeblich ihre Zuschauer abzocken wollten. Das berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Sachsens Verbraucherschutzzentrale ruft zur Massenanzeige gegen "Neun Live" auf. Der Verbraucherschutzzentrale liege ein Fall vor, bei der "Neun Live" für nicht zustande gekommene Verbindungen mehr als 16.000 Euro von einer Anruferin verlange. "Neun Live" weist die Vorwürfe zurück.


Nach heftigen Protesten von Politikern, Kirchen und Gewerkschaften macht "Neun Live" einen Rückzieher und verzichtet auf eine Telefonabstimmung, in der die Fernsehzuschauer ursprünglich entscheiden sollten welcher der arbeitslosen Teilnehmer einen Job bekommen sollte. Offiziell heißt es jetzt, das Thema Arbeitslosigkeit sei dafür "zu ernst".


Der staatsfunk.de-Intendant nominiert "Neun Live" für den "Preis des beleidigten Zuschauers" der Internetseite www.telekwatsch.de. Nach der Nominierung eines genervten Zuschauers vom Januar ist "Neun Live" damit als einziges Programm gleich doppelt nominiert.


August 2004: Wieder ein Betrugs-Skandal bei "Neun Live". Wie das ARD-Magazin "Plusminus" aufdeckt, hat der Schmuddelsender offensichtlich seit Monaten seine Gewinnspiele manipuliert. Vermutlich wurden tausende Anrufer um ihren Gewinn geprellt. Die Regeln für die Telefonrätsel wurden demnach willkürlich geändert, ohne dass dies den Zuschauern mitgeteilt wurde. Ein Beispiel: Bei der einfachen Aufgabe "Addieren Sie alle Zahlen" scheiterten alle 200 durchgestellten Anrufer. Die überraschende Auflösung kam nachts um 2 Uhr, also fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Anscheinend galten auch römische Zahlen, rückwärts zu lesende Ziffern im Text und auch Fremdsprachen. Wie genau "Neun Live" auf die Lösung 6574 kam, ist bis heute unklar. Den genauen Lösungsweg hatte "Neun Live" nie bekannt gegeben. Wie staatsfunk.de vermutet, ist das Ergebnis frei erfunden. Trotz der Recherchen des ARD-Magazins "Plusminus" sieht die zuständige "Bayerische Landeszentrale für neue Medien" keinen Handlungsbedarf.


Dezember 2004: staatsfunk.de nominiert "Neun Live" erneut für den "Preis des beleidigten Zuschauers". Der wird nach einer Abstimmung jährlich von der mit staatsfunk.de befreundeten Internet-Seite www.telekwatsch.de verliehen.


Juni 2011: Geschafft: Nach zehn Jahren Kampf gegen den Schmuddelsender sendet "Neun Live" nicht mehr live! Grund ist nach Senderangaben ein drastischer Gewinn-Rückgang. Jetzt flimmern auf "Neun Live" abwechselnd Dauerwerbesendungen, alte Fernsehserien und Astrologiesendungen.


August 2011: Das war's endgültig: "Neun Live" stellt am 9. August 2011 den Sendebetrieb endgültig ein. Der staatsfunk.de-Intendant spricht von einem "historischen Einschnitt in der deutschen Fernseh-Geschichte".

Weg mit "Neun Live!"

staatsfunk.de gewinnt nach 10 Jahren Kampf gegen Abzock-Sender


Geschafft: Zehn Jahre hatte staatsfunk.de gegen "Neun Live" gekämpft, im Juli 2011 hat "Deutschlands dümmster Sender" (die tageszeitung) seinen Live-Betrieb eingestellt und wurde einen Monat später ganz eingestellt. Game over für den Glücksspiel-Kanal. Der staatsfunk.de-Intendant spricht von einem "großen Sieg". "Dafür haben wir zehn Jahre gekämpft", sagte der staatsfunk.de-Intendant auf einer spontan einberufenen Feierstunde im kleinen Kreis.


Al Jazeera statt "Neun Live"! - im November 2001 startete staatsfunk.de seine beispiellose Kampagne gegen den Schmuddelsender. Es hagelte Protestbriefe an die Landesmedienanstalten, es gab Unterschriftenlisten und eine Aufkleberaktion. Nie ließ staatsfunk.de locker. Und immer mehr genervte Fernsehzuschauer schlossen sich der Aktion an. Auch Medienwächter rief das fragwürdige Programm des Abzock-Senders immer wieder auf den Plan. Doch die hektischen Möchtegern-Moderatoren von "Neun Live" sorgten mit Sirenen und blinkenden Lampen unverdrossen für hohe Telefonrechnungen bei Millionen Zuschauern. Das Geschäftsmodell: Fehlende Werbeeinnahmen wurden durch gebührenpflichtige Anrufe ersetzt. Ob es bei den Bilderrätseln, Wortspielen und Rechenaufgaben mit rechten Dingen zuging, wurde schon immer bezweifelt. Die undurchsichtigen Teilnahmebdinungen sorgten bei den Aufsichtsgremien regelmäßig für Kopfzerbrechen. Am Ende stiegen die Bußgelder, die "Neun Live" für erwiesene Abzocke zahlen musste. Und die Gewinne sanken. Am Ende zog die Pro-Sieben-Sat-1-Gruppe die Reißleine und entledigte sich des zuletzt auch in den eigenen Reihen ungeliebten Konzeptes.


"Das ist ein historischer Einschnitt in der deutschen Fernseh-Geschichte. Ein guter Tag. Jürgen Milski und Alida-Nadine Kurras werden wir nicht vermissen", sagte der staatsfunk.de-Intendant in einer ersten Reaktion: "Wir werden die Auswüchse des Privatfunks aber weiter kritisch verfolgen."